02/27/2020
Ich habe nichts gegen den März, aber…
“Ich hatte heute Nacht einen Traum und dieser Traum war sonderbar. Ich saß im Bierzelt im Sauerland herum, weil ich im Traum ein CDUler war“ (frei nach „Käfer“ von Die Ärzte (aus Berlin)) Schweißgebadet bin ich aufgewacht. Im Traum war ich der CDU beigetreten, um Friedrich Merz als Vorsitzenden zu verhindern. Als selbstverordneter Linker sollten mir innerparteiliche Angelegenheiten anderer politischer Rand-Gruppen egal sein. Erst recht, wenn es um die Heimat des deutschen Konservatismus geht. Doch Friedrich Merz, genauer sein Auftreten, Gebaren oder besser noch, sein Habitus, verfolgen mich seit meiner Jugend. Leute, die Vergewaltigung mit Trauschein als eben keine empfinden und “Herrenwitze” auch auf offiziellen Anlässen nicht auslassen. Menschen, die die Gefahr von Rechts erst verleugnen und kleinreden, um sie später als Problem von Migration rassistisch umzudeuten. Aufgewachsen im Sauerland, sind Typen wie Merz Fluchtursache Nummer eins für mich gewesen. Kernige Männerwelten, zwischen Bierzelt, Schützenverein und freiwilliger Feuerwehr. Hinter den Zäunen des Vorgarten lebt das Patriarchat munter fort. Dem Ruin Deutschlands, durch eine zu niedrige Geburtenrate, wird hier noch verzweifelt versucht Einhalt zu gebieten. Meine Ortschaft hat zwei Fußball- aber mindestens fünf Schützenvereine. Größer war nur die Anzahl der Autos, meist VW Golfs, mit „böhse onkelz“ Heck-Aufkleber. Als Kind klassischen Proletariats ausgegrenzt, gehörten zu meinen Freunden bis zur 7.Klasse überwiegend andere Proletarische Kids, sowie Türken, Araber, Albaner oder Deutschrussen. Die, mit denen sich das deutsche Kleinbürgertum eher nicht abgeben möchte. Eben die, die auch Leute wie Friedrich Merz als bedrohlich empfinden.Wer einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, in diese Kleinstadt-Welten hinein zu tauchen, weiß dass die Geschichten über Schützenfeste mit Sturzsuff, Frauen belästigen und Schlägereien zwar häufig Klischee und aufgebauscht sind, jedoch durchaus einen wahren Kern besitzen, der sich von Zeit zu Zeit immer wieder offenbart. Meine Text-Kenntnisse über alle Strophen der deutschen Nationalhymne sowie die Fähigkeit 20 Bier trinken zu können ohne umzufallen, verdanke ich den Jahren, die man in Ermangelung an Alternativen im Zelt beim großen Schützenfest verbrachte. Gesungen wurden alle Strophen ganz gerne mal von betrunkenen Männergruppen, Alter divers. Auch Äußerungen darüber, dass den Kindern mehr “arische Namen” gegebene werden sollten, gehörte durchaus wiederkehrend zur Diskussionskultur dieser Welt. Im Fußballverein bat man die nicht-deutschen Spieler bitte keinen weiteren Freunde anzuschleppen, man hat ja nichts gegen „Die“, sind ja häufig sehr gute Sportler, aber drei Ausländer in der Mannschaft sind genug. Dies ist ja Deutschland. Ein Deutschland, wie es in der Vorstellung eines Friedrich Merz auch weiter so existieren soll: „Apolda (Anm.: Friedrich Merz auf dem politischen Aschermittwoch der CDU am 26.02. in Apolda) ist nicht Berlin-Kreuzberg“. Dass diese Welt so bleiben soll, autochthone Deutsche unter sich bleiben sollen, dafür hat Merz auch ein Konzept. Es ist dasselbe Konzept, welches die wachsende Gefahr der extremen Rechten eindämmen soll: Grenzsicherheit und Clankriminalität stärker zu thematisieren. In den heilen Welten der Provinz, und in der des Friedrich Merz, sind die Ausländer und die als fremd bezeichneten Menschen die größte binnenländische Bedrohung. Sogar Schuld an der Gewalt von Rechts. Dieser Rassismus ist jedoch kein Naturphänomen, er ist Menschengemacht, wie große Teile des Klimawandel. Er ist die Schwester einer Einteilung der Menschen in nützlich und unnütz, in produktives leben und unproduktives, in lebenswerten Leben und nicht-lebenswertem. Er ist dem Geist eines eines Kapitalismus Art-Verwand. Wert hat wer Wert produziert. Marktradikalismus und Sozialchauvinismus, gepaart mit Ressentiment gegen Migration sind die Inhalte. Und Leute wie Merz, die für diese Lebensgefährliche deutsche Normalität stehen und ihre rassistische, sexistische und klassistische Politik an das deutsche Kleinbürgertum in der Provinz richten, teilen ein, wen sie für unnütz und nützlich halten. Wer Wert produziert und welchen hat und wer eben nicht. Es ist dieses Klima der Ausgrenzung, welches für Bewegungen und Parteien wie PEGIDA oder AfD verantwortlich ist. Die Resultate sind Halle und Hanau. Deswegen muss der Aufstieg der Steigbügelhalter des Faschismus verhindert werden, eben auch der von Friedrich Merz. Koste es was es wolle, wenn nötig gar mit einer Mitgliedschaft in der CDU.
levin - 15:51 @