07/24/2025

Gedanken zur aktuellen Arbeitslosigkeit

In den letzten Tagen kam etwas Langeweile auf und der Gedanke, ich verschwende meine Zeit. Es ist Sommer, Zeit des Optimismus und der Tat. Zwischen grünen Parks, befüllten Bars und erbarmungslos sonnigen Sandstränden spielt das Leben. Und dieses soll mit vernünftig gefüllter Zeit, einer maßvollen Abwägung zwischen Arbeit und Muße, verbracht werden. Auch die arbeitsfreie Zeit kann mit Gartenarbeit, dem ewig aufgeschobenen Frühjahrsputz oder der Autoreparatur genutzt werden.

Ich jedoch schlafe bis Mittag, spiele Online-Schach und höre aus dem Radio einen undefinierbaren Mix aus dudeliger Popmusik und alten Klassikstücken. Schaue dabei aus meinem ungeputzten Fenster in den Innenhof, in dem ein Nachbar sich der Reparatur sämtlicher geparkter Fahrräder widmet. Ich möchte die Gardinen schließen – ertrage ich den Anblick seines Tuns doch nicht. Und doch schaue ich fasziniert immer wieder aus dem Fenster und sinniere innerlich über seinen mutmaßlichen Altruismus. Oder wird er bezahlt? Seinem Gesicht nach empfindet er wenig Freude bei seinem Tun, aber es kann auch nur die alte deutsche Seele sein, die aus ihm spricht: an den Dingen des Lebens allgemein keine große Freude zu entwickeln und wenigstens im ewigen, unerlässlichen Tun einen Sinn zu suchen. Der nie gefunden werden kann, weil er nicht existiert. „Leben, das Sinn ergibt – frage nicht danach“, hat Adorno mal geschrieben.

Und doch: unerbittlich und unablässig wird irgendwas getan, weil in diesem Land ja jede*r etwas tut. Nur ich nicht. Ich schaue aus dem dreckigen Fenster, an dessen Reinigung ich nicht denken mag, schäme mich meiner Untätigkeit und überlege, dem Gefühl mit dem bekannten Mix aus Serie, Süßigkeiten und Masturbation zu entkommen.

Mit einem Klick ins Internet, beziehungsweise auf meine Social-Media-Kanäle – ich habe alle –, stellte ich jedoch fest, dass erwachsene Menschen und Gruppen, die sich links definieren und eigentlich Hoffnung, Solidarität und Zärtlichkeit verbreiten sollten, im Internet übereinander herfallen, sich verhetzen und in niederträchtiger Art und Weise beschimpfen. Und abgesehen vom Inhalt, sich nicht mehr weit von FB-Kommentarspalten-Hass befinden.

Nun verschwende ich weiter meine Zeit – mit Kaffee, gutem Gewissen und dem Vorsatz, allen Menschen nur das Beste zu wünschen.

Admin - 10:11 | Kommentar hinzufügen

 

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