04/30/2020
Klopapier im Schützengraben
„Blitzschnell rechne ich hoch, wie viel Kacke Frau von Roth in ihrem bisherigen Leben schon ausgeschissen hat: Fußballfelder. Ganze Strände. Ja, Frau von Roth, mir kannst du nichts vormachen, ich weiß Bescheid.“ (Heinz Strunk Fleckenteufel )
Im Roman Fleckenteufel beschreibt H. Strunk aus der Sicht des Pubertierenden Thorstens, die Faszination seiner Figur, bezüglich sämtlicher Körperflüssigkeiten wie Kot, Urin, Sperma, Erbrochenes, etc. Gesellschaftliche Randphänomene sind und waren Strunks Steckenpferd, in Fleckenteufel beschreibt er im Grunde den Ekel vor eigenen Gerüchen, Fäkalien und inneren Abgründen, die in einer Gesellschaft, die sich selber Hygienfanatismus bescheinigt, nur in der Abwertung der anderen Platz haben. Das Phänomen der Ekligmachung ist die Abwertung in modernen Vernunftgesellschaften der Anderen, dessen was annormal sei. Was der Vernunft widerspricht ist irrational, sinnlos und ekelhaft – was der Vernunft entspricht ist rational, sinnvoll und an-schaulich. Es scheint daher wenig verwunderlich, wenn zu Zeiten der Corona neben Nahrungsmitteln, allen voran das Klopapier gehortet wird und als Distinktion des deutschen normalen, bürgerlichen Indidiuum gilt. Doch die völlig irrationale Gesellschaft versucht selbst im Angesicht einer Pandemie, ihrem Gefühl der permanenten Katastrophe in ihrem kollektiven Bewusstsein nachzugeben und neben eiserner Disziplin, dem Wunsch nach Distinktion zu entsprechen, und zumindest im erdachten Schützengraben, einen sauberen Po zu haben und sich die Hände desinfizieren zu können. Das ist ihr, der Gesellschaft wichtig, weil Dreck, Schmutz und andere Ekeligkeiten doch als vermeintliche objektive Kriterien des gesellschaftlichen Ausschluss gebraucht werden. Schmutz und Gestank wecken die Assoziation mit Slums, der Armut. Dem wachsenden rechtsautoritären Geist fällt es so leicht, auf den Umstand, den beinharte Armut mit sich bringt, zu zeigen und zu sagen „da ist der Schmutz, hier muss aufgeräumt und dringend gesäubert werden.“ Die Säuberung der Straßen wird linksliberalen Bürgerinitiativen überlassen, die gerne Gutes tun, solange es vor der eigenen Haustür liegt, die schöner-Vorgarten Mentalität des sich weltoffen gebenden Urbanen-Milieus ist eine gute Ablenkung um sich nicht genötigt zu fühlen, den Umstand, der zu Armut und allen was dazu gehört, führt, abzuschaffen. Die schöner-Vorgarten Mentalität ist ein verbindender Nenner, sie eint die liberalen Städter und auch die von ihnen so verlachten Einwohner*innen der Provinz. Einigkeit und Durchsetzung des Rechts herrscht auch, wenn Ordnungsbehörden sich vor Anrufen besorgter Bürger nicht retten können, wenn diese wieder einmal ihre Mitmenschen, die die sich Unvernünftig verhalten, verpfeifen können.
Währenddessen: Die „Säuberung“, also Vertreibung und Ermordung, von Menschen planen AfD und ihre Waffenbrüder im Geiste, mit Waffendepots, in Chatgruppen und manch einer schreitet zur Tat. Wem das zu krass formulier ist sollte die Verbindungen von Rechtsterroristen zur AfD nachrecherchieren. Björn Höcke kennt Thorsten Heise, AfDler bei der Gruppe Nordkreuz, Lübcke-Mörder stand der AfD nahe, usw…
Gleichzeitig wächst, triumphiert, der Wille und die Disziplin, aus dem Elend der gesellschaftlichen Einschränkungen, so notwenig sie in den meisten Fällen auch sind, noch einen gesellschaftlichen Mehrwert herauszupressen. Man geizt nicht zu erwähnen, wie überlegen die deutschen Maßnahmen im Vergleich zu anderen Ländern doch sind. Über 6000 Tote (stand Ende April) sind eine Akzeptierte Zahl an Opfern, um darüber nachzudenken, zugunsten der wieder Einkehr einer kapitalistischen Normalität weitere tausende schwache, weil ökonomisch nicht Verwehrtbar, zu Opfern. Der Wunsch sich von anderen zu unterscheiden und sich ihnen überlegen zu fühlen, hat keine politische Heimat und gehört weiterhin zum Grundtenor deutscher Borniertheiten. Schon die Hartz Gesetze wurden nie als besonderes Gerecht empfunden. Opfer zu bringen um den kriselnden Kapitalismus am Laufen zu halten wird meist von anderen, den schwachen, Erwartet, es sei halt nötig das Hartz4-Regime zu errichten, sonst stehe der wirtschaftliche Untergang Deutschlands vor der Tür. Kapitalistischer Realismus nennt der Kulturwissenschaftler Mark Fisher diese Rhetorik Neoliberaler gesellschaftlicher Umwälzungen. So steht die deutsche Gesellschaft momentan vor dem Scheideweg, wen und wie viele, sie Opfern soll um ihre scheinbare Normalität zu bewahren. Und Überhaupt, denn Opfer müssen alle bringen. Für den kapitalistischen Normalvollzug und für einen sauberen Po im gedachten Schützengraben,
levin - 14:43 @